Familienleben: Gestalte deinen Lebensbogen
Gerade im Familienalltag bleiben kleine Geschenke, wie einen Regenbogen zu beobachten, leider viel zu oft auf der Strecke. Dabei benötigt es meist nur ein bisschen Achtsamkeit und den Fokus auf die schönen Dinge im Leben zu lenken. Katrin Stana, Dipl. Psychologische Beraterin und Mitbegründerin des Projekts „Glücksplanet“, möchte dir Achtsamkeit – vor allem im Familienalltag näher bringen. Hier liest du ihren Gastartikel.
Gestalte deinen Lebensbogen
Neulich haben meine Töchter und ich einen Regenbogen entdeckt, der auf der einen Seite vor einem strahlend blauen Himmel begann und auf der anderen Seite von dicken grauen Wolken umspielt wurde. Für mich war es ein Sinnbild, wie das Leben eben spielt: Wir erleben schöne, heitere Stunden, aber auch trübe und traurige Zeiten. Doch wie wir den Bogen dazwischen spannen, liegt eigentlich an uns. Wir sind selbst dafür verantwortlich, in welchen Farben unser Lebensbogen erstrahlen darf.
Was der Herbst so mit sich bringt
Die Farbe bunt ist meine persönliche Lieblingsfarbe und jetzt im Herbst finden sich wunderschöne, kräftige Gelb-, Grün-, Rot- und Ockertöne auf den Bäumen. Wenn dazu noch der Himmel strahlend blau ist und die Sonne diese Farbenpracht noch besser zur Geltung bringt, hebt das meine Laune und ich tanke neue Energie.
Doch der Herbst bringt auch ein wenig die Stimmung der Vergänglichkeit mit sich. Manchmal fühle ich mich dann bisschen melancholisch, gerade, wenn ich meine Kinder beobachte und mir wieder einmal klar wird, wie schnell die Zeit vergeht.
Gerade haben wir noch gemeinsam Kastanien gesammelt und lustige Figuren gebastelt und jetzt verschwinden sie immer öfters in ihren Zimmern oder hinter dem Handy. Ein paar Jahre noch und dann werden sie ausziehen. Schwere erfüllt da mein Mutterherz.
Umso wichtiger ist es für mich als Mama, möglichst viele Momente, die ich mit ihnen habe, achtsam zu erleben. Sie bewusst anzusehen, ihnen beim Sprechen in die Augen zu sehen, genau zuzuhören, wenn sie etwas erzählen und auch mit ihnen ein Gespräch zu führen. Das geht in unserem hektischen, überfüllten Alltag leider oft unter. Man spricht aneinander vorbei, hört nur so halb zu, weil man im Gedanken schon oft beim nächsten Punkt der Tagesordnung ist. Doch gerade dann sollten wir uns wenigstens 5 Minuten die Zeit nehmen, um einfach einmal nur dazusitzen, mit unserer Familie zu sprechen und diese Minuten bewusst wahrnehmen. Im Hier und Jetzt ankommen, runterkommen, gemeinsam lachen, durchatmen und Kraft sammeln. Qualität ins Leben holen.
Achtsamkeit
Achtsamkeit. Ein Wort, das mittlerweile in aller Munde ist und ich muss zugeben, dass ich früher nicht viel damit anfangen konnte, weil ich mir dachte, dass ich doch sowieso immer in diesem Moment präsent bin. Ja, körperlich präsent vielleicht, aber im Geist schon wieder beim nächsten oder übernächsten Schritt. Und trotz körperlicher Anwesenheit habe ich damals eigentlich gar nicht gespürt, welche Botschaften mein Körper eigentlich für mich hatte.
Je mehr wir in unserem Alltag im Job, im Haushalt, in der Familie und besonders als Mama mit Pflichten, Informationen und Aufgaben überhäuft werden, desto mehr beginnen wir, nur noch Punkte abzuarbeiten und zu funktionieren, wenn wir das nicht bewusst erleben und steuern. Und am Ende des Tages traust du dich gar nicht mehr dir die Frage zu stellen „Was habe ich heute nur für mich gemacht?“ oder „Was brauche ich eigentlich?“
Die Geschichte des Mönchs
Irgendwann habe ich die Weisheit eines Mönchs gelesen, der sagte: „Wenn ich stehe, dann stehe ich; wenn ich gehe, dann gehe ich; wenn ich sitze, dann sitze ich usw“ Da fielen ihm Fragesteller ins Wort – und zugegebener Weise hätte ich genau das gleiche gefragt: „Das tun wir doch auch. Aber was ist dein Geheimnis?“ Da sprach der Mönch zu ihnen: „Nein, eben das tut ihr nicht. Wenn ihr steht, dann geht ihr schon und wenn ihr geht, dann sitzt ihr schon usw.“
Da ging mir plötzlich ein Licht auf. Der Mönch hatte Recht. Ich ertappte mich, dass ich beim Kochen nebenbei etliche Dinge erledigte, mir Notizen machend, telefonierte und mir über allesmögliche Gedanken machte, nur nicht über das Essen, das ich gerade zubereitete.
Der erste Schritt war getan – was mir vorher nicht bewusst war, war jetzt sonnenklar. Seither versuche ich tatsächlich, achtsamer zu sein, mehr im gegenwärtigen Augenblick, bei mir zu sein und auf meine Bedürfnisse zu hören. Es ist nicht so, dass man einen Schalter umlegen und von jetzt auf dann achtsamer leben kann. Vielmehr handelt es sich um einen Prozess, der da in Gang gesetzt wurde. Es gelingt mir auch nicht täglich und schon gar nicht den ganzen Tag lang, achtsam zu sein, aber es wird besser und ich würdige jeden kleinen Schritt und freue mich darüber. Zusätzlich habe ich mit kleinen Yogaeinheiten zu Hause via App begonnen. Auch da fällt es mir bis heute immer wieder schwer, konzentriert dabei zu bleiben und auf die Atmung nicht zu vergessen. Aber es wird! Und ich vertraue diesem Prozess, weil ich merke, welche positive Auswirkung diese Achtsamkeit auf mich hat. Es entschleunigt meinen Alltag, ich bin dankbarer für alles, was ich habe, für alle Menschen, die ich treffe, für alle Erlebnisse, weil ich es jetzt oft erst viel bewusster wahrnehme.
Meine Tipps an euch
Somit kann ich allen Menschen, die sich gestresst, angetrieben oder ausgelaugt fühlen, aber natürlich allen anderen nur ans Herz legen: Macht euch bewusst, wie euer Alltag aussieht:
- Am besten nehmt ihr euch ein A3 Blatt und gestaltet darauf eine Art Wochenübersicht mit allen Tagen und Tageszeiten zB in Form einer Tabelle. Ihr könnt das bunt gestalten bzw so wie es euch gefällt. Wichtig ist nur, dass ihr eine Übersicht bekommt und sie nicht verliert.
- Notiert dann eine Woche lang, was ihr alles gemacht habt. Angefangen beim Aufstehen in der Früh, über Telefonate plus Namen der Person, über Mittagessen kochen, arbeiten, putzen etc bis zum Schlafengehen.
- Ihr könnt euch zusätzlich auch gerne notieren, wie lange ihr geschlafen habt und auch die Qualität eures Schlafes. Habt ihr ruhig durchgeschlafen oder seid ihr oft munter geworden? Vielleicht musstet ihr auch über etwas nachgrübeln?
- Wenn ihr eine Woche im Überblick habt, dann kreist doch mit Farbe alle Momente ein, in denen ihr euch etwas Gutes getan habt.
- Bist du mit dem Ergebnis zufrieden? Hast du ausreichend geschlafen, regelmäßig und gesund gegessen und auf dich selbst geachtet?
Wenn nicht, dann ist es dir jetzt zumindest bewusst geworden!
Selbstfürsorge
Achtsamkeit bedeutet für mich auch Selbstfürsorge. Bewusst und wertschätzend auf sich selbst zu achten und für seine physische und psychische Gesundheit Verantwortung zu übernehmen. Selbstfürsorge ist so ein wichtiges Thema und wird leider viel zu oft mit Egoismus verglichen. Denn, wenn wir nicht auf uns selbst achten, dann werden wir auf Dauer keine Kraft mehr haben, uns um andere Menschen zu kümmern, die vielleicht auf unsere Hilfe angewiesen sind.
Habt also kein schlechtes Gewissen, wenn ihr euch etwas Gutes tut, auf eure Bedürfnisse hört, Spaß habt und Farbe in eueren Lebensbogen bringt. Es ist euer persönlicher Lebensbogen, den ihr nicht nur gestalten könnt, wie ihr es für richtig haltet, sondern für den es auch gilt, Verantwortung zu übernehmen.
In diesem Sinne: Denkt an den Mönch und macht achtsam einen Schritt nach dem anderen und erstrahlt bunt wie ein Regenbogen!