100 nützliche Tipps: „Keine Angst vor der Angst“
Anfang des Jahres ist es rausgekommen, das pink-mintfarbene Buch „Keine Angst vor der Angst“ von Christine Rickhoff und der Illustratorin Felicitas Horstschäfer. Die Autorin hat 100 berühmte und weniger berühmte Menschen gefragt, wie das Monster „Angst“ am besten zu vertreiben ist. Ein Mutmach-Buch für Kinder ab fünf. Unsere Chefredakteurin Andrea Helten kennt sich mit dem Thema Ängste sehr gut aus. Sie hat es für uns gelesen.
Als meine Redaktions-Kolleg*innen während meines Urlaubs beschlossen, mir die Rezension von „Keine Angst vor der Angst“ zuzuweisen, musste ich kurz schmunzeln. Denn sie – und auch viele andere meiner Kinderyoga-Berlin-Kund*innen wissen es natürlich: Ich hatte selbst jahrzehntelang immer wieder mit Angststörungen zu tun. Seitdem ich 14 Jahre alt war, suchten mich regelmäßig Panikattacken heim. Lange Zeit unternahm ich nichts gegen sie, außer, eine Maske aufzuziehen und meinen Bewegungsradius immer weiter einzuschränken. Erst, als ich mich mit 21 Jahren nicht mehr aus dem Haus traute, holte ich mir Hilfe.
Logisch, dass mich daher das Buch total interessiert. Und – es ist wirklich cool und mutmachend. Und doch muss ich ein kleines „Aber“ hinzufügen. Aber der Reihe nach.
Haiforscherin, Astronaut, Fußballstar und Uroma Hilde
Was macht eine Haiforscherin, wenn ihr tief unten im Meer ein Hai begegnet? Was denkt ein Feuerwehrmann, wenn er zu einem Brand gerufen wird? Haben Fußballspieler*innen, Sänger*innen und Zahnärzt*innen etwa auch Angst?
„Keine Angst vor der Angst“ gibt auf all diese Fragen eine Antwort: Die Autorin Christine Rickhoff hat 100 Menschen verschiedenen Alters gefragt, was sie für Tipps gegen Ängste kennen. Teilweise antworten diese 100 Menschen aus ihrer eigenen Erfahrung, teilweise, weil sie sich in ihrem Beruf mit Angst beschäftigen. Und so kommen ganz unterschiedliche Sichtweisen zusammen: von Super-Fußballer Thomas Müller, von Promis wie Lina Larissa Strahl, Peter Maffay und Inger Nilsson (sie hat als Kind „Pippi Langstrumpf“ gespielt), aber auch von René Borbonus (Kommunikationsexperte), Prof. Dr. Marcel Romanos (Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie) oder Stefanie Stahl, Deutschlands berühmtester Psychologin. Und dann gibt es Statements von Kindern Emil, Noah und Uroma Hilde – eben von Menschen, wie du und ich.
Und so kommen zahlreiche, wirklich gute und hilfreiche Tipps zusammen, um gegen Ängste vorzugehen. Egal, ob es sich um Monster unter dem Bett oder öffentliche Auftritte handelt: Die Texte der jeweiligen Menschen sind nahbar und praktisch, einfach geschrieben und sehr, sehr vielfältig.
Du bist nicht allein mit deiner Angst
Auch unser Kinderyoga-Kollege Florian Sprater ist für „Keine Angst vor der Angst“ interviewt worden. Er teilt eine Yoga-Nidra-Übung mit uns und erzählt von seiner Angst vor der Achterbahn und wie er sie überwunden hat.
Ich gebe für das Buch eine klare Lese-Empfehlung – auch, weil es wirklich ganz wunderbar klar macht, dass jeder von uns Ängste hat. Denn das ist ja eins der fürchterlichsten Merkmale der Angst: zu denken, man wäre allein mit seiner Furcht. Auch meine besten, weil selbst erprobten Tipps sind dabei: Durch die Angst gehen, wieder und wieder, bis sie ihren Schrecken verliert. Selbst dann, wenn es Jahre dauert. Und: Der Angst einen Namen geben (meine heißt „Eddie“ und ist eine Krake).
Wenn die Ängste zu stark werden: professionelle Hilfe holen!
Für mich gibt es dennoch einen Wermutstropfen bei der Lektüre. Denn die Angst ist nicht rational, sondern emotional. Nur, weil ich gute, logisch nachvollziehbare Tipps bekomme, heißt es nicht, dass Angst geringer wird. Um immer und immer wieder durch die Angst zu gehen oder mit seiner Angst persönlich zu sprechen, muss man erst einmal so weit sein. Und spätestens dann, wenn es nicht mehr um kleinere Ängste geht, sind in meinen Augen gerade gut gemeinte Tipps eher nutzlos, oft sogar kontraproduktiv. Denn sie führen dazu, dass man sich als Angstpatient*in noch wertloser fühlt – eben, weil man eben doch lieber wieder eine angstbesetzte Situation vermieden hat, als die Tipps von anderen zu beherzigen.
Am Ende des Buches gibt es einige hilfreiche Ratschläge für Eltern, um zu erkennen, wann die Angst des Kindes zu übermächtig wird. Das zu erkennen, ist nicht leicht, denn Ängste wachsen schleichend. Spätestens dann, wenn der Alltag eingeschränkt wird, sollte man sich schleunigst in professionelle Hilfe begeben. Und damit sind keine Ratgeber-Tipps mehr gemeint, sondern gut ausgebildete Kinder- und Jugend-Psychotherapeuten. Wo? Zum Beispiel hier.