Flexibilität: Im Wind des Lebens tanzen
Das Leben hat oft andere Pläne. Hindernisse und Veränderungen treffen uns mit voller Wucht und können einen ganz schön aus dem Konzept bringen. Es sei denn, wir schlagen Wurzeln und bleiben so in unserer Mitte. Unsere Redakteurin Maike Schößler beschreibt nicht nur, wie man dank Yoga in Kopf und Körper flexibler werden kann, sondern auch von einem Schlüsselerlebnis als Yogalehrerin.
Wie Kopf und Körper flexibel bleiben
Neulich hatte ich eine bedeutende Yogastunde. Alles begann mit einem Yogastudioschlüssel, der sich nicht an gewohnter Stelle befand, sondern im Briefkasten am unteren Boden klebte und selbst für zartere Teenie-Unterarme unerreichbar war. Ich stand also vor dem verschlossenen Yogastudio und meine Jugendlichen trudelten ein. Ein Anruf bei der Studiobesitzerin vertröstete uns auf einen späteren Einlass. Sie würde sofort kommen und uns aufschließen, wäre aber noch am anderen Ende der Stadt.
Eine andere Option als vor dem Yogastudio mit dem Unterricht zu starten, gab es für mich nicht. Und so verzogen wir uns behelfsmäßig in den gepflasterten Vorgarten. Der Verkehrslärm der angrenzenden Straße schallte zu uns herüber, Menschen und Autos liefen vorbei. Meine Jugendlichen schien diese ungewohnte Situation sehr aus dem Konzept zu bringen. Ebenso der Smartfahrer, der aus unerklärbaren Gründen auf dem Fahrradweg hin und her fuhr. Ich schickte ein Stoßgebet in Richtung Himmel, dass bitte das Wetter halten möge und änderte kurzerhand unser Stundenbild in „Flexibilität“.
Wir tauschten uns aus, was einen aus dem Konzept bringen kann und wie Yoga dabei helfen kann, einen kühlen Kopf zu behalten. Wir redeten darüber, was Ablenkungen im Außen mit der Ruhe im Innen anstellen (der Smartfahrer war mittlerweile verschwunden, eine Frau parkte in 93 Zügen direkt vor unserer behelfsmäßigen Raummitte ein). Und wir redeten darüber, wie man an fremden, vermeidlichen Fallstricken wachsen kann. Denn selten läuft das Leben so, wie man es sich ausmalt. Flexibilität ist gefragt – körperliche und geistige Beweglichkeit.
Wie heißt es so schön: „Liegen Steine in deinem Weg, stelle dich drauf und genieße die Aussicht.“
Yoga ist eine wunderbare Art seine Flexibilität zu üben: auf körperliche Weise mithilfe von Asanas und auf geistige Art mithilfe von Meditation und Achtsamkeitspraktiken. Yoga ist nicht die perfekt ausgeführte Vorbeuge mit durchgestreckten Beinen, sondern der Weg nach unten. Genau so lässt sich körperliche Flexibilität üben: Grenzen erkennen, annehmen und dann sachte eine Nuance verschieben. Ähnlich hält es sich mit geistiger Flexibilität. Diese Beweglichkeit der Gedanken lässt sich üben, etwa mithilfe der Achtsamkeitspraxis und einem wachen Anfängergeist.
Beim Kinderyoga flexibel bleiben
Beim Kinderyoga lässt sich dieses wunderbar beobachten. Indem wir Lehrer*innen uns vom Blatt lösen und von unseren vorgefertigten Erwartungen, wie eine Yogastunde zu sein hat (sie muss immer im Yogastudio stattfinden!), schaffen wir Raum für nicht Planbares, das von den Kindern kommt. Ohnehin ist es ratsam, an jede neue Stunde genau mit dieser Haltung heranzugehen, offen zu sein und sich flexibel auf die vorherrschende Stimmung jedes einzelnen Yogis einzulassen. Wer weiß schon, ob sie Lust auf eine Reise nach Indien haben oder in Spiellaune sind. Greif ihre Ideen auf und setze sie wach um. Sei immer darauf vorbereitet, flexibel zu sein und ihr werdet schweben!
„Alles fließt und nichts bleibt; es gibt nur ein ewiges Werden und Wandeln“. (Heraklit)
Flexibilität lässt sich trainieren, sowohl im Umgang mit uns selbst, mit anderen als auch mit der Umwelt. Etwa, indem wir uns aus dem „Alles oder Nichts-Prinzip“ lösen. Das Schwarz-Weiß-Denken limitiert uns. Wie herrlich ist es, die die gesamt Farbpalette des Regenbogens zu erkennen, die das Leben so ausmacht und in immer neue Farbvarianten tüncht. Flexibel zu denken und zu handeln öffnet Horizonte und Türen, hinter denen neue, fantastische Abenteuer liegen.
Bei aller Abenteuerlust gibt auch die Kehrseite: Neue Pfade können Angst machen und für Unwohlsein sorgen. Deshalb schwimmen wir auch so gerne in gewohnten Gewässern. Das Gehirn warnt uns davor, mal ein bisschen weiter raus zu schwimmen, um uns vor Gefahren zu schützen.
Wir können den Wind nicht aufhalten, aber die Segel anders setzen
Das Leben ist schlicht und ergreifend nicht planbar, steckt voller Veränderungen, Herausforderungen und manchmal lässt uns ein vergessener Schlüssel kurz nach Luft schnappen. Wer sich dessen bewusst ist, dass das Leben eine intensive Reise ist, voller Höhen und Tiefen, kann besser mit Fehlschlägen und Misserfolgen umgehen. Es gibt Dinge, die wir nicht ändern können, aber wir können unsere innere Einstellung anpassen und auf den Wellen reiten lernen. Rückschläge lassen uns wachsen, indem wir nicht kapitulieren, sondern Lösungen suchen und uns dem Fluss des Lebens hingeben.
Mit Yoga Wurzeln schlagen
Yoga hilft uns Bodenhaftung zu etablieren, konkret etwa mithilfe von Standhaltungen wie Baum, Göttinnenpose oder alle Krieger. Sind wir gut verwurzelt, kann uns ein Sturm nichts anhaben. Wir tanzen im Wind und brechen nicht. Bringen wir genau das schon den jüngsten Yogis bei, sind sie gut gewappnet für die Unwägbarkeiten, die das Leben mit sich bringt. Und diese werden kommen. Mal in Form von Indien-Stundenbild-Unlust, Streitigkeiten, einer schlechten Schulnote oder vergessenen Schlüsseln.
Edit: Meine jugendlichen Yogis haben an besagtem Tag von mir ausnahmsweise eine Hausaufgabe bekommen. Sie sollten beobachten, wo sie im Laufe der Woche flexibel reagieren mussten. Einen direkteren Bezug zum Alltag hätte ich mir nicht ausdenken können. In der nächsten Yogastunde, die natürlich wieder drinnen stattfand, trugen sie eine Vielfalt an kleinen Alltags-Ereignissen zusammen. Unser Fazit: Man ist tatsächlich flexibler als man denkt. Ferner hat uns diese denkwürdige Yogastunde vor der Tür wirklich sehr zusammenwachsen lassen. Was haben wir gelacht!
Tipps, um Flexibilität im Alltag zu üben:
- Gehe einen anderen Weg zur Arbeit/zur Yogastunde/nach Hause.
- Tue etwas, was du noch nie getan hast.
- Übe Standhaltungen
- Erde dich (Waldbaden, Gartenarbeit, gehe raus in die Natur)
- Gesundes Mindset: Macht dich innerlich locker und deine äußeren Muskeln werden auch nachgiebiger. Dabei kann es helfen, die Ausatmung zu verlängern
- Arbeite mit dem Wurzel-Chakra
- Nimm deine Gefühle wahr: Auch wenn dir neue Situationen Angst machen, fühl deine Angst und nimm das Herzklopfen wahr. Wichtig ist nur, sich nicht von den Gefühlen beherrschen zu lassen.
- Lass dir Zeit
- Go with the flow