Ich war auch mal ein Junge!
Unser Herausgeber Thomas Bannenberg teilt in seinem Kommentar zum Monatsthema „Yoga mit und für Jungs“ persönliche Erinnerungen aus seiner Kindheit mit uns. Er lädt uns dazu ein, uns im Yoga mit all unseren Anteilen zu verbinden – und mal wieder öfter Gummi-Twist zu versuchen.
Und auch heute bin ich sicher noch in Teilen „ein Junge“, aber bin ich deshalb, weil ich Junge war/bin:
- neugierig,
- bewegt und gern bewegend,
- dynamisch,
- kraftvoll,
- interessiert?!
Sind das wirklich typische „Jungen-Eigenschaften“ ?
Ich finde eher nicht. Vielmehr sind es doch typische Verhaltensweisen von Kindern.
Alle Kinder beginnen bald zu tanzen und zu hüpfen, wenn sie das Laufen auf zwei Beinen für sich erschlossen haben. Alle Kinder stellen neugierige Fragen „bis zum Mond und darüberhinaus“. Kinder sind allgemein und vielfältig interessiert, neugierig und gerne auch dynamisch, im Kopf und mit ihrem Körper.
Gummi-Twist ist komplex
Woher kommen die geschlechtlichen Zuweisungen? Doch eher aus der Welt der Erwachsenen – untermauert von dem was sie „Moral“, „Tradition“ und „Kultur“ nennen. Als Junge habe ich sowohl „Räuber und Gendarm“ als Versteck-Fangspiel gerne mit vielen anderen Kindern (Mädchen und Jungen) gespielt – ebenso wie Gummi-Twist. Merkwürdig und belustigend fand ich schon damals die Kommentare einiger Jungen, die über diesen Gummi-Twist abfällig sprachen, es als „Mädchen-Kram“ bezeichneten. Ich wusste es aber besser. Sie konnten es einfach nicht. Sie wollten sich keine Blöße geben, weil sie die teils komplexen Abfolgen von Sprüngen und Drehungen und dabei langsam steigendem Gummiband einfach nicht schafften. Also werteten sie es ab.
Mutig wie Gabi
Mein wildester Spielkamerad der Kindheit war Gabi, ein Mädchen, ein dreiviertel Jahr älter als ich und viel mutiger. Mit ihr habe ich mich Sachen getraut, vor denen ich alleine zurückgeschreckt wäre. Aber sie war nicht „typisch Mädchen“ oder „typisch Junge“, sondern sie war vor allem immer sie selbst: „typisch“ Gabi eben. Und darin war sie für mich verlässlich, ihr konnte ich vertrauen.
Junge oder Mädchen oder irgendetwas dazwischen, das ist nicht so wichtig, wie zu wissen: Auf dich kann ich mich verlassen. Gemeinsam geteilte Werte zählen und nicht das biologische Geschlecht.
Sören Kierkegaard hat es gut erkannt:
„Das Vergleichen ist das Ende des Glücks und der Anfang der Unzufriedenheit. Deshalb vergleiche nicht, denn Jungen sind anders – und Mädchen auch.“
Einfach mal nicht vergleichen
Über das eigene Geschlecht tappen wir schnell in die Vergleichsfalle mit dem anderen Geschlecht – und dann wird es mühsam. Dieser Aufgabe des Nicht-Vergleichens müssen wir uns im Kinderyoga explizit stellen, wenn wir nicht dieselben Stereotypen aus unserer Kindheit weitergeben wollen. Yoga ist Verbindung, auch die Verbindung zwischen deiner weiblichen und deiner männlichen Identität. Beschäftige dich damit in deiner eigenen Yoga-Zeit. Spüre im Yoga mit Kindern deren Bedürfnisse und frage danach.
Lass dich überraschen, was jenseits der geschlechtlichen Typisierungen möglich ist.
Menschsein und Menschwerden ist ein einziges grosses Abenteuer und kann ein Leben lang andauern. Viel Freude dabei.