Wie du mit Kindern das Andenken an eure Ahnen lebendig hältst
Wer oder was sind Ahnen und warum sind sie gerade im November so präsent? Chefredakteurin Andrea Helten hat selbst Erfahrung mit Ahnenarbeit und veranschaulicht hier, wie freudvoll die Auseinandersetzung mit Verstorbenen sein kann – auch und gerade für unsere Kinder.
„Wir sind alle Geister.
Wir alle tragen Menschen in uns, die vor uns gekommen sind.“
Liam Callanan, Der Wolkenatlas
Es ist eine Frage der Herkunft, ob wir uns voller Lebendigkeit an Verstorbene erinnern, oder uns eher ein Schauer über den Rücken jagt, wenn wir an den Tod denken. Bei mir war es jahrzehntelang letzteres, denn wenn man wie ich eine eher strenge katholische Erziehung genossen hat, ist der Umgang mit Toten nicht gerade eine freudvolle Sache. Zudem kommt erschwerend hinzu, dass ich schon in jungen Jahren gleich mehrere meiner nächsten Verwandten zu Grabe tragen musste. Insofern stand die Trauer an ein Gehen-lassen-Müssen bei mir persönlich immer im Vordergrund.
Dass es auch anderes gehen kann, beweist zum Beispiel der mexikanische Dia des Los Muertos – ein Fest, das gleich einige Tage in Anspruch nimmt (vom 31. Oktober bis 2. November). Nach dem mexikanischen Verständnis kommen die Toten einmal jährlich, nämlich zum Ende der Erntezeit, zurück. Das wird gefeiert, mit einem riesigen Fest voller Farben. Auch andere Kulturen kennen diese Totenfeste, die je nach Ursprung andere Bedeutungen, sich aber im Laufe der Zeit auch angenähert haben. So existiert Samhain neben Halloween, Allerseelen und dem Totensonntag.
Allen Traditionen gleich ist aber, dass der November stets der Monat der Ahnen waren. Während der dunkler und kälter werdenden Tage hebt sich, so die Vorstellung, gleichsam der Weltenvorhang und der Kontakt zu denen, die vor uns gegangen sind, gelingt leichter.
Wer sind unsere Ahnen?
Es sind nicht nur die verstorbene Oma oder der Opa, den wir noch gekannt haben. Wie ich in der wunderbaren Jahres-Zyklus-Begleitung für Frauen durch Kaja Andrea lernen durfte, sind es die, bis zu sieben Generationen vor uns gelebt haben. Also auch Menschen, die wir nie gekannt haben – und die dennoch möglicherweise heute noch Einfluss auf uns haben. Wie kann das sein? Im Zuge der Epigenetik, also der biologischen Vererbbarkeit von Krankheiten, ist es auch spannend, zu beobachten, wie zum Beispiel Verhaltensweisen oder Eigenschaften möglicherweise vererbt werden. Ein Beispiel: Ein Urgroßvater, der einen Großteil seiner Kindheit im Krieg verbracht hat, im Luftschutzbunker spielend saß und den Mangel an Lebensmitteln, Wärme und womöglich auch Zuwendung erleben musste, gibt diese Erfahrungen unbewusst weiter an die nächsten Generationen. Laut Kaja Andrea ist es dann sogar möglich, dass diese Mangelgefühle sich noch Generationen später manifestieren, ohne dass diese Eigenschaften durch das eigene Erleben erklärbar sind. Auch transgenerationale Traumata sind so erklärbar.
Wie können wir uns mit unseren Ahnen verbinden?
Glaub mir, die Verbindung mit Verstorbenen ist ganz und gar nicht gruselig, sondern kann sehr erfüllend sein und für wahre Aha-Momente sorgen.
Zum Beispiel kannst du, ganz klassisch, über Websiten wie myheritage.de deinen Stammbaum zurückverfolgen. Dabei kannst du einerseits deine dir bekannten Verwandten eintragen, die aber andererseits auch von anderen helfen lassen. Diese Art der Ahnen-Verbindung wählte mein Mann – und er kann nun immerhin bis 1779 seine Familie zurückverfolgen.
Du kannst auch intuitiver vorgehen und über Meditationen oder Ahnenreisen Kontakt aufnehmen. Dadurch können auch unliebsame Verbindungen aufgelöst werden, Stichwort „Ahnenheilung“. Tipp: In ihrem Buch „Du bist die Antwort auf deine Fragen“ zeigt die Kaja Andrea Wege auf, wie das geht. Frage dich auch selbst, zum Beispiel: Wann fühle ich mich mit meinen Ahnen verbunden?
Zwei praktische Ideen für die Ahnenarbeit mit Kindern
Natürlich ist Ahnenarbeit in allererster Linie einmal dein persönliches Ding. Womöglich möchtest du alte Traumata auflösen, deine Verwandten befragen. Dann solltest du die Arbeit mit denen, die vor dir gegangen sind, alleine unternehmen und dir vielleicht erfahrene Hilfe an die Seite holen. Wichtig ist auch: Ahnen sind nur diejenigen, die bereits verstorben sind.
Aber auch mit Kindern kann man das Andenken an eure Ahnen lebendig halten.
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Geschichten einholen, recherchieren, erzählen
Die roten Haare hat der Junge von Ururgroßvater Heinrich, das ist schon einmal klar. Und hatte nicht schon Agnes, deine so früh verstorbene Lieblings-Tante, solch eine magische Beziehung zu Tieren wie dein eigenes Kind? Geschichten halten unsere Ahnen lebendig. Und Kinder lieben Geschichten! Also: Rückt an langen Abenden zusammen, löscht alles künstliche Licht und entzündet stattdessen Kerzen (ist sowieso in diesem Winter energiesparender). Und erzählt euren Kindern die Geschichten eurer Familie. Vielleicht magst du vorab ein wenig selbst recherchieren. Sei es, dass du noch lebende Verwandte befragst oder, wie in meinem Fall, die Totenzettel eurer Gemeinde durcharbeitest. Und du wirst sehen, deine Beschäftigung kann einiges ins Rollen bringen. Denn: Wenn du dich erinnerst, beginnen sich auch deine Mutter, Tante, etc. plötzlich zu erinnern. In unserer Familie hat unsere eigene Beschäftigung bei unseren Verwandten jeweils ein aufwendiges Kramen, Erinnern und Verschicken von alten Dokumenten ausgelöst.
Bilder und Dokumente können dann deinen Kindern gezeigt werden. Und ihr setzt euch dann mit eurer Familie auseinander. Wunderbar: Wie vor hunderten von Jahren schon bleibt gerade die orale Vermittlung von Geschichte viel stärker im Menschen haften. Wir fühlen uns plötzlich verbunden und in Liebe gehüllt. Denn die Ahnen sind uns immer wohlgesonnen. Und die Kinder erfahren, wie lebendig das Bild von Verstorbenen plötzlich sein kann – und wieviele Anteile dieser Menschen auch in uns sind.
2. Der Ahnen-Altar
Die Uroma liebte Karamell-Bonbons? Der Opa liebte den Wald? Nun, vielleicht solltet ihr in diesem November euren Ahnen einen eigenen Altar errichten. Das kann ein schöner kleiner Tisch sein, den ihr nach individuellem Gefühl schmückt. Es darf alles drauf, was den Verstorbenen womöglich gut gefällt und sie nährt. Also ein schöner Stein, Servietten, ein Glas Wasser, eine Kerze, ein Foto von ihnen, aber auch die geliebten Karamellbonbons (traditionell gibt es Nüsse und Samen (auf dass sie wieder sich vermehren)) und einen Tannenzapfen für Opa aus seinem geliebten Wald.
Was dadurch passiert: Kindern wird ein Gefühl von Verbundenheit vermittelt, ein Angebundensein an eine große, schützende Gemeinschaft. Außerdem nimmst du mit der Ahnenarbeit den Kindern die Angst vor der Vergänglichkeit. Denn zum Leben gehört das Sterben unweigerlich hinzu. Daher lasst uns das Andenken an unsere Ahnen positiv in Erinnerung halten.