Entspannt Online-Yoga unterrichten, ohne technische Superhelden zu sein
Oder müssen wir wirklich erst zu technischen Superhelden mutieren müssen? Andrea Helten gibt einen persönlichen Einblick in die Anforderungen des Online-Yoga – und erklärt, worauf es ihr wirklich ankommt!
Wieviele Rollen fordert das Leben denn noch von uns? Wir sind Frauen/Männer, Mütter/Väter, Kinderyogalehrer/innen, daneben oftmals noch im „Brot- und Butter“-Job unterwegs. Vielleicht sind wir auch als Erzieher/innen oder Pädagoge/innen tätig. Und jetzt sollen wir uns auch noch technisch so fit machen, das wir schwuppdiwupp online Yoga unterrichten sollen? Echt jetzt?
Tatsächlich hat die Corona-Pandemie uns Yogalehrer im Frühjahr diesen Jahres ganz schön unter Druck gesetzt. Neben finanziellen Sorgen (und Homeoffice und Homeschooling) sahen wir uns dem Dilemma gegenübergestellt: Entweder gar keine Kurse mehr unterrichten ODER aber auf Online-Yoga umschwenken. Ersteres war während des Lockdowns ein Fakt. Die Studios blieben geschlossen. Online-Yoga zu unterrichten bildete für viele den rettenden Grashalm – und wenigstens eine Möglichkeit, mit den eigenen Schülern noch in Kontakt zu bleiben (und ein wenig die finanziellen Einbußen aufzufangen). Für andere war die Vorstellung, Yoga via Laptop zu praktizieren, schlichtweg absurd: Keine echte Berührung, kein Gemeinschaftsgefühl, kein gemeinsames OM, keine Hands-On, kein Schwätzchen in der Umkleide. Denn wenn wir uns real treffen, werden viele Infos auch nonverbal kommuniziert. Diese bleiben online auf der Strecke.
Und dennoch war Online-Yoga in den letzten Monaten oft die einzige Form, überhaupt zu unterrichten. Und es ist nicht nur eine Frage der persönlichen Einstellung, die in den letzten Monaten kontrovers diskutiert wurde. Es ist vor allem auch eine der technischen Einstellung. Denn: Hat man sich erst einmal dazu durchgerungen, für seine Schüler Online-Yoga anzubieten, so heißt das noch lange nicht, dass es auch gut funktioniert.
Ein schwarzer Monitor – und das mitten im Sonnengruß
Denn leider funktioniert Online-Yoga nicht nach der Hauruck-Methode, sondern benötigt (wie auch Offline-Yoga) etwas Vorbereitung. Dies hat sicher bei einigen enthusiastischen Lehrern für technische worst case scenarios geführt. In den ersten Wochen des Lockdowns hörte ich von einer Yogalehrerin, die via Zoom-App zum ersten Mal ihre größere Gruppe unterrichtete – und nach exakt 40 Minuten vom Bildschirm verschwand. Aus, Ende. Ein schwarzer Monitor – und das mitten im Sonnengruß. Niemand hatte der Yogalehrerin gesagt, dass man in der kostenlosen Version von Zoom nur 40 Minuten online sein kann (und wie man diese Sperre umgeht, wusste die versierte Yogini auch nicht).
Eine andere mir bekannte Studiobesitzerin rollte pünktlich zur normalen Kurszeit in ihrer dunklen Berliner Erdgeschoss-Wohnung die Yogamatte aus. Sie richtete sich Zoom ein (wohlweislich in der Bezahl-Version ohne Zeitlimit), stellte ihr altes Laptop auf einen Hocker vor sich, drückte auf „Meeting starten“ und tat das, was sie am allerbesten kann: Yoga unterrichten. Leider waren Ton und Bild so grauslich, dass ihre Schüler ihren Anweisungen nur mit Mühe folgen konnten. Und bei stehenden Positionen konnten sie ihre Yogalehrerin nur noch von der Hüfte abwärts sehen.
Müssen wir wirklich technische Superhelden sein?
Also stehen wir vor einem wahren Dilemma: Müssen diejenigen unter uns, die die offensichtlichen Nachteile in Kauf nehmen, aber dennoch Yoga digital vermitteln wollen, wirklich erst einmal in teure Technik investieren? Also zusätzlich zu kostspieligen Aus- und Weiterbildungen, der Studiomiete, dem Kreuz mit globalen Sportbuchungscentern jetzt auch noch digitale Gadgets kaufen – bevor wir ENDLICH Yoga unterrichten können?
Ein Blick in die hiesigen Yogalehrer-Facebook-Gruppen zu Beginn des Lockdowns ließ diese Vermutung aufkommen. Während die einen noch die berührungsfreie Komponente diskutierten (siehe oben), wurde an anderer Stelle schon gefachsimpelt: „Welches ist das beste Mikro?“, „Soll ich in ein gutes Lavalier-Mikro investieren?, „Wie stelle ich meine Softboxen auf?“ und „Gibt es eine gute Alternative zur Live-Meeting-App Zoom (die haben doch so furchtbare Datenschutzlücken)?“.
Viel Aufregung, viel Unsicherheit – all das in einer eh schon sehr turbulenten Zeit. Gut hatten es da diejenigen, die wie ich schon vorher Online-Kurse im Repertoire hatten. Ich persönlich kann mich als ausgebildete TV-Redakteurin, die wirklich ganze Jahre in TV-Studios gestanden, Moderationstexte und Sendungsabläufe geschrieben, Kameraeinstellungen korrigiert und im Schneideraum gesessen hat, natürlich doppelt freuen.
Und daher rufe ich dir als alte TV-Häsin zu: „Es braucht nicht viel! Nur ein gutes Auge und ein wenig gute Technik. Dafür viel mehr Authentizität und Fehlerfreundlichkeit!“
Denn jetzt, wo ich die beiden größten Katastrophen schon skizziert habe (der schwarze Monitor, die unscharfe, halbierte Yogalehrerin), können wir uns ganz entspannt ein paar grundlegenden Impulsen zuwenden:
- Hast du genügend Schüler, die Lust auf Online-Yoga haben? Diese Frage solltet ihr unbedingt klären, bevor ihr euch der Technik zuwendet. Denn auch wenn mittlerweile viele Schüler Online-Yoga ausprobiert und für „ok“ bis „gut“ befunden haben – nicht zuletzt dank Events wie Tina Buchs grandiosem und kostenlosem Yoga Online Festival – ist nicht jeder von dieser Art überzeugt. Ausgerechnet meine Teengirls nämlich, die seit Jahren zu mir kommen, können sich mit Yoga via Zoom so gar nicht anfreunden. Und daher erfreuten sich unsere Eltern-Kind-Yoga-Live-Sessions auf Facebook großer Beliebtheit, mein wöchentliches Teenyoga-Online-Angebot wurde aber fast mehr von mir unbekannten Teens gebucht als von „meinen“ Girls.
- Besteht auch deinerseits Interesse, längerfristig Yoga online anzubieten? Sei ganz ehrlich mit dir selbst und beantworte diese Frage am besten auch ohne finanziellen Druck. Denn es bringt nichts, in Technik zu investieren, wenn man nur notgedrungen für wenige Wochen digital praktizieren will.
- Hast du schon einmal daran gedacht, dass du alle Live-Videos auch gleich mit aufzeichnen und im Nachgang als Online-Stunde verkaufen könntest? Dass du sogar Online-Kurse erstellen und dir so langsfristig ein zweites Standbein aufbauen könntest – parallel zum Offline-Yoga? Dass du eine Kundschaft bedienen könntest, die nicht um die Ecke wohnt, sondern vielleicht Hunderte von Kilometern entfernt? Die sich freut, dein Angebot kennenzulernen? Falls der Gedanke für dich reizvoll ist, solltest du weiterlesen. Denn dann erst macht es Sinn, in Technik zu investieren.
- Was brauchst du, um dich gut ins Bild zu setzen? Als erstes eine stabile Internetverbindung. Diese ist das A und O. Dann einen ruhigen Raum, eine stille Ecke, die störungsfrei ist. Achte auf ein ansprechendes Bild – auch der Bildausschnitt sollte Ruhe ausstrahlen. Sei aber hier auch flexibel: In meinem Fall gibt es keinen ruhigen Hintergrund, denn ich nehme die Videos für meine Online-Kurse immer vor unserem wilden Bücher- und Schallplattenregal auf…. Wichtiger ist es, dass du immer gut zu sehen bist, egal, ob du im Berg stehst oder im Savasana liegst. Und am besten die Kamera-Einstellung dann stets beibehalten.
- Und jetzt kommen wir zu den Anschaffungen: Egal, wie hell dein Video-Platz ist, du solltest in Softboxen investieren. Das sind meist zwei große, auf Stativen stehende, sehr helle Lampen, wie du sie vom Fotografen kennst. Diese zaubern künstliches, aber sehr freundliches, weiches Licht. Sie sind nicht teuer und lassen dich professionell und vorteilhaft erstrahlen.
- Live-Klassen: Ob du in ein teures Sennheiser Drahtlos-Lavaliermikrofon investierst oder in ein günstiges fürs Handy musst du selbst entscheiden. Wichtig ist, dass der Ton für deine Live-Videos in jedem Fall passabel sein sollte. Wenn ich eine meiner (wenigen) Live-Klassen via Live-Meeting-App gebe, nutze ich nur meinen Computer und verlasse mich hier auf den akzeptablen Ton. Gibst du jedoch regelmäßig einige Kurse die Woche live und online, lohnt sich wirklich die Anschaffung in ein Komplettset. Hier gibt es weitere Technik-Tipps.
- Eine gute Mischung ist übrigens folgende: Du gibst entsprechend der Abstandsregeln eine Yogaklasse mit wenigen Schülern im Raum und lässt via Live-Meeting-App gleichzeitig andere Schüler von zuhause aus digital teilnehmen. Das hat den Vorteil, dass du und die Schüler vor Ort ihren „ganz normalen“ Unterricht genießen können (und du authentisch unterrichten kannst). Zusätzlich können Schüler, die nicht in den Raum kommen wollen/können dennoch live mit dir praktizieren. Hier solltest du aus Datenschutzgründen unbedingt vorher deine Schüler im Raum um Erlaubnis bitten, digital zu streamen.
- Online-Videos: Drehe ich dagegen Videos für Online-Kurse, die ich später noch selbst schneide, muss die Qualität tadellos sein. Dafür brauchst du optimalerweise zwei digitale Spuren: einen fürs Bild, einen für den Ton. Ich persönlich habe in ein mittelpreisiges Schnittprogramm für MacBooks investiert (Screenflow) und kann dafür sehr viel am Bild und Ton verändern (z.B. Farbkorrekturen machen, Text einblenden oder Ton-Filter nutzen).
- Mein absoluter Geheimtipp: Ein Premium-Handy mit Spitzenkamera kaufen, um an anderer Stelle teure Technik einzusparen. Ich nutze mein externes Mikrofon so gut wie gar nicht mehr und das Bild kommt automatisch in HD-Qualität. Mit dem Handy nehme ich die Videos auf, spiele sie auf mein Laptop und schneide sie dann.
- Bevor du jetzt Schnappatmung bekommen solltest, bitte atme ein und aus. Denn bedenke: Wir sind keine Kameramänner und Ton-Profis (wie hier auf dem obigen Bild) und müssen auch keine sein. Für Live-Klassen gilt auf jeden Fall: Du solltest zwar gut zu sehen und zu hören sein. Deine Schüler schalten aber ein wegen DIR.
Also: Deine Authentizität, deine spezielle Art, die die Schüler so an dir lieben, sollte gerade auch in berührungsfreien Live-Klassen ‚rüberkommen. Denn es wäre ganz wunderbar, wenn deine Persönlichkeit auch via Bildschirm in die Wohnzimmer deiner Schüler getragen würde. Du musst kein Technik-Crack sein, darfst über deine Fehler lachen und auch unbedingt welche machen dürfen. Und deine Schüler nehmen es dir sicher nicht übel, wenn beim ersten Mal nicht alles reibungslos in deiner Live-Stunde klappt. Solidarität und Gemeinschaft wird groß geschrieben – dies konnten wir gerade auch in den letzten Monaten feststellen. Ich persönlich hatte während mancher Live-Klassen eine Gänsehaut, weil mich das Gemeinschaftsgefühl berührt hat. Da wurde gemeinsam gesummt, gesungen, OM gechantet. Und ich habe es mit den Teengirls in meinem Garten UND am Bildschirm sogar geschafft, ein gemeinsames Spiel zu spielen.