Yoga im Schul-Unterricht – wie geht das?
Yoga unterrichten am Vormittag in der Schule – als Fach und für die ganze Klasse. Davon träumen viele Kinderyogalehrer*INNEN. Leider scheitert die Umsetzung hierzulande am chronischen Geldmangel der Schulen. Also, Eigeninitiative ist gefragt. Wie das gehen kann und wie „das so ist, eine Schulklasse zu unterrichten“ lest ihr hier…
„Namaste“ schallt es mir aus 21 Kehlen entgegen. Genauso viele Augenpaare blicken gespannt auf mich, meine Klangschale und den Anton (meinen Yogabär). Ich stehe im Klassenzimmer der Klasse 2e in einer Grundschule in Düsseldorf. Es ist 10:45h. Und die erste Yoga- und Unterrichtsstunde mit einer ganzen Schulklasse steht an. Wow.
Was hatte ich mir vorab alles an Gedanken gemacht: Wie bekomme ich 21 Kinder begeistert? Welche Übungen kann ich im Klassenzimmer überhaupt machen? Können wir überhaupt auf den Boden? Wie wandle ich alles in Stehpositionen um? Wie mache ich meine Achtsamkeitsübungen? Obst verkosten mit 21 Kindern, kann das gehen? Und vor allem auch: Passt mein Yoga zu den Inhalten des Lehrplans und was wird die Lehrerin sagen… Und überhaupt: Wie merke ich mir diese ganzen Namen?
Und als ich da bin, ist irgendwie alles ganz anders.
Erst einmal: Es ist ruhig, fast schon still. Wir sind im Klassenzimmer. Die natürliche Autorität der Umgebung wirkt auch beim Yoga. Die Kinder sind schon fast unheimlich diszipliniert. Sie sind völlig konzentriert auf das, was kommt. Kein Geschnatter am Rande, kein Rumrennen, kein „ich habe Durst, Hunger und muss aufs Klo“. Stattdessen Konzentration, Aufmerksamkeit und Vorfreude, auf das was da mitten am Vormittag so reingeschneit gekommen ist. Also ich, die Yogalehrerin.
Yoga und den Lehrplan inhaltlich verknüpfen
Aber von vorne: Eine Lehrerin kam auf mich zu mit der Anfrage, ob ich nicht in ihrer Klasse Yoga unterrichten könnte. Sie sei fest vom Nutzen von Yoga für die Kinder überzeugt. Versuchsweise hatte sie das schon immer wieder eingesetzt, sei aber selbst nicht firm genug in Sachen Asanas und Wirkung. Gemeinsam haben wir relativ schnell einen Fahrplan entwickelt, wie wir Yoga und Lehrplaninhalte verknüpfen könnten. Schwerpunkt: Englisch. Wobei uns schnell klar war, dass es viele weitere sinnvolle Verzahnungen gibt – wie bspw. Sachkunde, Deutsch, Mathematik, Musik und natürlich Sport. Dazu auch an dieser Stelle der Verweis auf die Bücher und Materialien von Petra Proßowsky, der engagierten Grundschul- und Yogalehrerin aus Berlin-Kreuzberg, die sicherlich auf dem Gebiet Schulyoga Pionierarbeit geleistet hat. Prädikat absolut lesenswert, auch wenn man keine Schulklasse unterrichtet.
Die Finanzierung klären
Für die Finanzierung hatte die Lehrerin auch einen klaren Plan: Über die Eltern sollte der Yoga bezahlt werden, projektweise. Sicherlich ist das Monetäre der Hauptpunkt, warum Schulprojekte scheitern. Es gibt nun einmal nicht viel Geld an den Schulen. Und aus der Erfahrung weiß ich, dass es nur klappt, wenn Lehrer, Rektorat und Eltern an einem Strang ziehen. Wenn ihr das für euch kalkuliert, überlegt einen Minimalbetrag pro Kind, rechnet es hoch auf die Anzahl von Kindern in der Klasse. Und multipliziert diese mit der Anzahl der Stunden, bspw. acht Wochen/ein Termin pro Woche. Berücksichtigt dabei bitte auch, in welchem Viertel die Schule ist, wie viele Projektwochen pro Jahr stattfinden können, ob gegebenenfalls auch noch andere Klassen mit einsteigen und ähnliches.
Yoga im Klassenzimmer
Sind Termine, Inhalte und die Finanzierung geklärt, auf zur Praxis! Welche Asanas kann man in einem Klassenzimmer ohne Matten machen? Eine ganze Menge! Die typischen Aufwärmübungen (Arm-/Schulter-/Beckenkreisen, Körper ausschütteln etc.) funktionieren wie immer. Davon abgesehen, kannst du so gut wie alle klassischen Yogapositionen im Stehen durchführen oder eben Tische bzw. Stühle zur Hilfe nehmen. Zum Beispiel funktioniert der herabschauende Hund und Katze/Kuh gut mit den Händen auf den Stühlen. Wobei wir gerade den herabschauenden Hund und sogar den gesamten Sonnengruß auch im Kreis einfach auf den Boden durchführen. Partner- und Gruppenübungen machen im Klassenzimmer genauso viel Spaß wie im Yogaraum oder in einer Turnhalle. Den fehlenden Raum für schnellere Bewegungen wie Laufen könnt ihr mit intensiven Asanas wie zum Beispiel Froschspringen auf der Stelle und Planke dynamisch ausgleichen. Manchmal ist auch eine Runde „Yogaflugzeug“ – also Laufen auf dem Schulhof – drin. Das ist mit mehr als 20 Kindern allerdings nicht immer reibungslos, von daher nicht uneingeschränkt zu empfehlen.
Achtsamkeit & Entspannung
Ansonsten eignen sich große Gruppen und das Klassenzimmer sehr gut für eine Reihe von Achtsamkeitsübungen, wie beispielsweise stumm durch den Raum gehen, jedes Kind, das einem begegnet, freundlich anlächeln oder ein liebes Wort ins Ohr flüstern. Auch Blindverkostungen beispielsweise mit Obst brauchen nicht viel Platz, eher noch die helfende Hand der Klassenlehrerin beim Verteilen der Verkostung. Und es ist faszinierend zu erleben, wie selbst eine so große Gruppe die Augen geschlossen hält, ganz ruhig riecht, fühlt und schmeckt. Auch die Entspannung im Sitzen (Kopf auf die Hände legen) ist vergleichsweise einfach zu bewerkstelligen.
Neue Projektwochen am Start
Mein Projekt geht demnächst weiter. Beim ersten Teil standen zur Unterstützung des Englischunterrichts „fruits and vegetables“ auf dem Yoga-Lehrplan und „saisonbedingt“ Weihnachten. Letzteres mit einer Aufführung des Yoga-Moves (Sonnengruß) beim Weihnachtsspiel der Klasse vor den Eltern. Ein Riesenerfolg und auch ein Grund, warum das Projekt fortgeführt wird. In den nächsten Yoga-Projektwochen beschäftigen wir uns mit „parts of the body“. Passt doch super zu Yoga😊.
Ich halte euch gerne auf dem Laufenden! Und ansonsten traut euch in die Schule, findet den Lehrer, den Rektor und die Eltern, die Yoga im Unterricht unterstützen. Ich bin mir sicher, dass es sie gibt!
Happy Namaste
Eure Gina