Krafttierkarten im Kinderyoga einsetzen
Die Arbeit mit dem eigenen Krafttier kann ein berührendes Ritual in Kinderyoga- und Teenyogastunden sein. Andrea Helten beschreibt hier, was du wissen solltest, um deinen Schüler*innen ihr Totem näherzubringen.
Vorab muss ich leider ein wenig die Erwartungen dämpfen und deinen Enthusiasmus, gleich loszulegen, trüben. Denn wie bei so vielen Dingen, die wir unterrichten und weitergeben, ist es aus meiner Sicht essentiell, auch bei Krafttierreisen vorher eigene Erfahrungen gemacht zu haben. Schließlich unterrichtest du ja auch keinen Kinderyoga, ohne zuvor selbst auf der Matte praktiziert und am eigenen Körper erfahren haben, was Yoga alles für dich bereit hält. So ist es auch mit Krafttierreisen, die eins der schamanischen Tools sind, um in Verbindung zu kommen. Also: Such dir jemanden in deiner Nähe, der dir ein erfahrener Reisebegleiter ist und dich mit Trommel oder Rassel unterstützt, während du auf die Reise gehst. (Im Raum Berlin zum Beispiel gibt es vielfältige Auswahl und ich kann dir meine allererste Yogalehrerin Katja Kollecker mit riesiger Erfahrung, aber auch in Potsdam die liebe Maxi empfehlen. Katja bietet auch mehrteilige Schamanische Seminare an, an denen ich teilnehmen durfte.) Durch die eigene, tiefergehende Arbeit mit DEINEM Krafttier (oder Helfertieren) findest du garantiert noch innigeren Zugang und kannst das Erfahrene dann anders weitergeben! Bitte nutze also die Krafttierkarten nicht einfach als simples Tool im Kinderyoga.
Was ist ein Krafttier?
Hast du schon einmal gesehen, wie Mitglieder indigener Völker sich in Felle hüllen? Sich mit Federn im Haar schmücken? Sich bewegen wie die Tiere, mit denen sie im Einklang leben? Häuptlinge geben sich nicht selten tierisch geprägte Beinamen wie „sprechender Adler“. Das weiß ein jedes Kind, dass einmal „Yakari“ geschaut hat! Ich persönlich durfte einmal in Kanada einem eintägigen Pow-Wow beiwohnen und mein Verständnis für diese besondere Verbindung von Mensch, Natur und Tier wurde dadurch noch einmal anders geprägt.
Einfach gesagt: Ein Krafttier ist ein Tier, mit dem du dich in einer spirituellen Zeremonie durch eine innere Reise verbindest. Das ist natürlich nicht dein Lieblingstier wie Hund oder Katze, denn der Verstand ist bei solch einer inneren Reise im besten Fall ausgeschaltet. Daher sind die Tiere, die auftauchen, nicht unbedingt naheliegend. Es kann auch eine Spinne, ein Salamander oder ein Hai sein. In der Meditation lässt du dich vom Tier führen, verbindest dich mit ihm, indem ihr zusammen seid. Ihr könnt sprechen, reisen, Abenteuer erleben, usw. Nach der Reise kann es sein, dass „dein“ Krafttier plötzlich öfter in deinem echten Leben auftaucht: Vielleicht siehst du eine Doku im Fernsehen, entdeckst ein Kuscheltier und kommst so auch im wirklichen Leben mit dem Tier in Verbindung. Und natürlich ist das Tier eins, dass dich – je nach Charakter und Art – mit Kraft, Selbstvertrauen und Mut ausstattet. Halt mit der individuellen Tier-Power, die es mitbringt.
Warum Krafttierreisen mit Kindern?
Aus dem Gesagten kannst du dir vielleicht schon herleiten, warum Krafttierreisen gerade auch mit Kindern enorm wertvoll sein können: Sie sind praktisch „Affirmationen mit Fell„, können Kinder enorm darin unterstützen, mutig zu sein und in einen positiven, inneren Dialog zu kommen. Und gerade Kindern ist es durch ihre Phantasie vergönnt, Beziehungen außerhalb unserer realen Welt aufzubauen. Kinder sprechen mit ihrem Kuscheltier oder mit der Puppe, und nehmen Objekte oftmals personalisiert wahr. Das Objekt ist „beseelt“.
Wie funktioniert die Arbeit mit Krafttierkarten?
Karten sind die einfachsten Tools, um Kinder den Weg zum eigenen Krafttier zu weisen. Ich arbeite mit diesen schönen Karten aus Australien, nehme aber immer einige wenige Tiere aus dem Set heraus, weil sie bei uns einfach unbekannt sind. Bevor ich mit den Kindern reise, erkläre ich ihnen, was wir machen und warum die indigenen Völker sich mit Tieren verbunden haben: Um respektvoll in die tierische Kraft zu kommen. Um Unterstützung von diesem Tier zu bekommen. Dann schauen wir uns die Karten gemeinsam an und lesen die Affirmationen mancher Tiere vor. Im Begleitbuch wirst du später, wenn du einige Zeit mit dem Set arbeitest, immer auch Deutungsmöglichkeiten finden. Diese kannst du den Kindern am Ende vorlesen, musst du aber nicht. Dazu aber später mehr.
Nun erkläre ich den Kindern oder Teens, wie der Ablauf sein wird. Während in klassischen schamanischen Reisen meist laut getrommelt, aber nicht gesprochen wird, verfahre ich mit den Kindern anders. Ich bin der Reiseleiter und spreche sie praktisch – mit großen Pausen – durch die Reise. Auch das ist ein Grund, warum es notwendig ist, vorher selbst einige Male „Tourist“ gewesen zu sein. Denn du musst ja schließlich wissen, wie sich ein solches Abenteuer anfühlt. Du hältst den Rahmen für die Kinder, achtest auf jeden, während sie auf die Reise gehen. Und bist da, falls ein Kind vorher aussteigt.
Nachdem wir den Ablauf besprochen haben und alle Fragen geklärt sind, darf sich jedes Kind eine Karte ziehen. Dazu lege ich die Karten verdeckt in einem großen Kreis aus. Die Kinder schließen die Augen und fahren mit der linken Hand solange über die Karten, bis sie „ihre“ Karte spüren. Haben alle ihre Karte gezogen, legen die Kinder sich mit der Karte auf dem Herzen auf den Rücken. Alle dürfen es sich gemütlich machen, mit Decken und Kissen. Ab jetzt wird möglichst nicht mehr gesprochen, der Körper kommt zur Ruhe, die Augen werden möglichst geschlossen. Das Licht darfst du dämpfen, gern leise trommeln, rasseln oder schamanische Musik auflegen. Wenn du jedoch die Kinder durchsprichst durch ihre Phantasiereise, wirst du damit genügend beschäftigt sein. Dann starten wir. Ich geleite die Kinder durch ein Tor oder eine Öffnung in eine andere Welt und gebe ihnen Zeit, dort anzukommen. Dann erfolgt das Treffen mit dem Tier (und hierbei ist es wichtig, vorher immer zu erklären, dass es auch ok ist, wenn kein Tier sich zeigt). Ich begleite dieses Treffen mit Worten und längeren Sprechpausen, ehe wir am Ende wieder durch die besagte Öffnung im Yoga-Raum ankommen. Die gesamte Reise dauert ungefähr 15 – 20 Minuten. Ich gebe den Kindern Zeit, wieder im Raum anzukommen. Und wer möchte, kann anschließend reihum erzählen, was er erlebt hat.
Die Auflösung der Krafttierreise
Diese Abschlussrunde ist meistens magisch, sowohl für die Teilnehmer, als auch für mich. Die Kinder erzählen der Reihe nach mit leuchtenden Augen, welches Tier sie gezogen haben und was sie für Abenteuer erlebt haben. Und natürlich auch, ob sie mit der Affirmation auf der Karte etwas anfangen können. Obwohl keine Pflicht besteht, zu erzählen, sind die Kinder jedoch meist total berührt. Daher kann es manchmal recht lang werden – und immer lasse ich sie zuende erzählen! Sei dir also gewiss, dass die Redezeit bei einer Krafttierstunde ausgiebig sein wird. Ich habe selbst wirklich unzählige Krafttierreisen mit Kindern und Teens durchgeführt und erlebe sehr oft, dass das Tier zu dem jeweiligen Kind auch passend ist. Oftmals haben die Kinder auch – durch vorherige Reisen mit mir – schon mehrere Tiere und erzählen von diesen wunderschönen Zusammentreffen. Dazu lasse ich die Kinder immer erst selbst sprechen. Und nur am Ende schaue ich kurz in das Begleitbuch und ergänze hier und da. Meist aber spreche ich wenig, gebe Impulse zur Lebensweise des Tieres oder ob es eine Redensart gibt und fühle eher die Qualität des „animal spirit“. Wenn du die Kinder dann auch noch kennst und eventuell um ihre Ängste weisst, kannst du natürlich noch mehr positive Anregungen geben. Für die Rederunde am Ende eignet sich ein Stab oder ein Stein, der nach jedem Sprechen mit einem „Aho!“, dem typischen schamanischen Zeichen dafür, dass man jetzt fertig gesprochen hat, weitergegeben wird.
Für wen sind Krafttierreisen geeignet?
Die Kinder sollten mindestens acht Jahre alt sein. Sag ihnen, dass sie jederzeit die Augen öffnen und im Yoga-Raum ankommen können, sollte etwas Unangenehmes in der Phantasiewelt geschehen. Das kann passieren, wenn auch in meiner Praxis bisher sehr selten. Dennoch ist es wichtig, wirklich alle Kinder während der Reise im Blick zu halten.
Für eine Yogastunde mit 60 Minuten plane ruhig 45 Minuten Zeit ein. Die 15 Minuten vor der Reise können sich die Kinder / Teens gern körperlich erwärmen: je nach Altersgruppe mit Sonnengrüßen, bewegten Spielen, einigen kraftvollen Asanas. Ich sehe die Krafttierstunde als eine Art Highlight im normalen Kinder- und Teenyoga-Unterricht an. Daher wird sie circa zweimal im Jahr bei uns durchgeführt, oft als letzte Stunde vor den Ferien.