Teen-Yoga aus der Lehrerperspektive – unsere größten Fails
Die Mitglieder des Redaktionsteams von PLUS.Kinderyoga.de unterrichten bereits seit Jahren. Und dennoch sind sie vor Misslingen, vor Fettnäpfchen und sogenannten „Fails“ nicht gefeit. Denn auch der versierteste Dozent, die erfahrenste Dozentin kommt in neue Situation und spürt „Hier kann ich nichts aus meinem Erfahrungsschatz anwenden“. Dann muss nach neuen Lösungen gesucht werden. In diesem Erfahrungsbericht liest du kleine Episoden aus der Praxis des Redaktionsteams, die nicht glorreich sind, aber auf jeden Fall eine Erkenntnis hervorbrachten. Du siehst: Auch in unseren Teen-Yoga-Stunden geht es nicht immer harmonisch und easy zu!
Elke Schwuchow: Wenn der Popo an der Matte klebt
Es war eine Stunde, für die ich das Thema „Raus aus der Komfortzone“ vorbereitet hatte. Meine Tween-Mädchen schlurften rein, nahmen ihren Platz auf der Matte ein und fingen an, sich zu unterhalten. Soweit so gut – nichts Neues für mich. Dieses Mal liefen aber alle meine Bemühungen, sie von ihrer Unterhaltung ab und in – zugegebenermaßen auch herausfordernde Bewegung – zu bringen, ins Leere. Sie weigerten sich über das Thema zu sprechen und ihren Popo von der Matte zu bewegen. Irgendwann habe ich angefangen einzuräumen und die Stunde frühzeitig beendet. Leicht verwundert wurde dies zur Kenntnis genommen, aber immer noch quatschend der Raum verlassen – von den meisten ohne eine Verabschiedung. Nach dieser Stunde war ich sehr enttäuscht und habe kurz überlegt, den Kurs nach Ablauf nicht nochmal anzubieten und daran gezweifelt, ob ich diese Altersgruppe weiter unterrichten kann und möchte.
>In der nächsten Stunde habe ich meine Gefühle thematisiert, auch dass ich das Verhalten wenig wertschätzend fand. Bestürzte Gesichter sahen mich an. Das hätten sie so nicht gemeint. Ich habe dann gefragt, wie sie sich denn unsere gemeinsame Yogastunde vorstellen. Was sie machen möchten, was wir gemeinsam tun können, damit wir alle zufrieden nach Hause gehen. (Das mache ich sowieso immer am Anfang des Kurses, die gruselige Stunde war am Ende des Kursblocks.) Es war ein konstruktives Gespräch auf Augenhöhe. Ich habe den Kurs wieder angeboten und es haben sich (fast) alle wieder angemeldet.
Mein Learning: Nimm es nicht persönlich, sie können oft nicht anders und zeige dich authentisch.
Thomas Bannenberg: Körperliche und geistige Komplettverweigerung
Hatte ich mir alles so schön ausgedacht. Die Teens zwischen 14 und 16 Jahren hatten doch klare Wünsche für die folgende Stunde geäußert. Sie kamen alle freiwillig. Eigentlich. Aber heute war anders. Niemand legte sich heute auf die Matte. Alle blieben sitzen, manche standen. Meine Frage nach der Befindlichkeit verhallte in einem Vakuum. Zumindest schien es so, denn es gab weder eine Antwort noch eine Reaktion.
Auch mein Angebot, dass wir nicht „Yoga machen müssen“, da zum Yoga ja auch alles Zwischenmenschliche gehöre, fand keine Resonanz. Körperliche und geistige Komplettverweigerung. So dachte ich. Dann fragte ich, ob das Verhalten der einzelnen in der Gruppe etwas mit mir zu tun habe. Oops – erstaunlich viel Resonanz. Fast alle nickten, brummten oder sprachen gar aus, dass dem nicht so sei. Vielmehr gab es ein Erlebnis im Kurs zuvor, das die SchülerInnen mit in die Yogastunde gebracht hatten.
Und nun sprudelte der Ärger und Frust nur so heraus bis eine Schülerin fragte, ob es für solche Situationen nicht auch etwas im Yoga gäbe. Gibt es.
Mein Learning: Atem-Achtsamkeit, verlängerte Ausatmung und – nie zu früh ein Urteil über eine Gruppe fällen.
Maike Schößler: Die AIDA-Animateurin auf dem Achterdeck
In den Anfängen als Yogalehrerin für Jugendliche ist mir besonders eine Yogastunde in Erinnerung geblieben. Eine, in der in meinem Kurs schon über unserer Erzählrunde eine emotionale Wolke hing. Nicht so eine Gewitterwolke, die kurz vorm Bersten ist, sondern so eine schwüle drückende, die nach dicker Luft und Unbehagen riecht. Ich hatte es vielen Mädels schon beim Reinkommen angesehen und das kartoffelsackplumsige Auf-die-Matten-Fallen unterstrich diesen Eindruck noch. Wie Dominosteine kippte die miese Laune von Yogi zu Yogi weiter. Bei der Einen war der Lehrer in der Schule doof gewesen, die Andere hatte Stress mit ihrem Vater, die Nächste Liebeskummer. Mundwinkel unten, mürrisches Murmeln, all das Leid der Welt verteilt auf Yogamatten und ich mitten drin. Selbst bei den Mädels, die mich anfangs noch leuchtend und erwartungsfreudig angeschaut hatten, wanderten die Mundwinkel im Laufe der Erzählrunde nach unten und die Schultern gleich mit. Ich straffte meine, rieb freudig in die Hände und machte mich an meine persönliche Rettungsmission: „Ich hole euch da raus!“.
Und so nahm das Drama seinen Lauf. Ich arbeitete mich ab wie eine AIDA-Animateurin auf dem Achterdeck. Ich zog alle Register. Angefangen von Motivations-Musik bis hin zu Tappen, Schütteln, Wut-Raus-Kicken. Meine Bemühungen gipfelten in Witze erzählen während Asanas, Löwen- und Gorilla-Gebrüll und was wir für einen Stapel Holz weghackten!! Also ich; selbstredend beteiligten sich nicht alle Mädels. Einige von ihnen kriegte ich wieder eingefangen. Vermutlich hatten sie Mitleid mit mir. Ich erntete ein paar wohlwollende Lächler, bei den anderen eher – ich würde jetzt nicht verachtende Blicke sagen – aber sie suhlten sich weiter in ihrem Unglück und ließen das auch raushängen. Ich war mit meinem Latein und Repertoire am Ende, so dass ich kapitulierte. Ich ließ sie sich suhlen und in Yin Yoga-Posen verweilen während einer kleinen Abschluss-Entspannungseinheit. Nach der Stunde zogen sie von dannen. Zurück blieb ich. Über meinem Kopf eine grauschwarze Gewitterwolke. So eine, aus der schon Blitze zuckten. Die schlechten Vibes waren auf mich übergesprungen. Muffelnd und schlecht gelaunt fuhr ich nach Hause.
Ich schaute hin und erkannte, dass die Mädels in besagter Stunde schlicht und ergreifend nicht hatten aufgemuntert werden wollen. Sie wollten nicht gerettet werden. Die miese Laune hatte auch nichts mit mir zu tun. Ich schloss einen Pakt mit mir selber: Seitdem gibt es keine Rettungsversuche mehr und auch kein Animationsprogramm von mir!
Mein Learning: Ich bin nicht die Entertainerin meiner Teenager! Wer miese Laune hat, kann sie haben und schauen, ob ihr Yoga helfen kann. Seit besagter Stunde habe ich thematisch mit Emotionen und Gefühlen gearbeitet und Tools und Wissen eingebaut, so dass die Mädels wissen – es geht vorbei. Irgendwann scheint die Sonne wieder. Und damit fahren wir alle wirklich gut.
Andrea Helten: Mit Handy und Sneakern auf die Matte
Ich bin von einer weiterführenden Berliner Schule kontaktiert worden, weil diese gern für die 10. Klasse eine Yoga-AG anbieten wollte. Es sollte zwei Probestunden geben, worauf ich mich damals einließ. Vor Ort sah ich, dass zwar Matten, aber kein Raum vorhanden war. Somit mussten wir erst einmal im Klassenraum die Tische und Stühle beiseite räumen. Es war recht schmutzig und null Yoga-Atmosphäre, dennoch legte ich die Matten sternförmig hin und begann, eine kleine Mitte zu kreieren. Die Mädchen schlurften nach und nach herein und waren sehr skeptisch, ehrlich gesagt feindselig. Jede Bewegung ihres Körpers signalisierte, dass sie absolut keinen Bock hätten. Sie betraten mit ihren Turnschuhen die Matten und weigerten sich allesamt, diese auszuziehen – von Sportbekleidung ganz zu schweigen. Die Handys blieben auch trotz mehrmaligem Hinweis, sie wegzulegen, auf der Matte. So lagen die Mädchen auf der Matte und antworteten auf meine Frage hin, wie sie sich die Yogastunde vorstellten: „Kein Bock, wir wollen am Handy chillen.“
Ich gab mein Bestes und dennoch gelang es mir weder in dieser, noch in der nachfolgenden Stunde, die Mädchen zum Mitmachen zu motivieren. Nach den zwei Probestunden sagte ich der Schule, dass ich keine AG bei ihnen anbieten wolle.
Mein Learning: Es ist löblich, wenn Schulen Yoga mit aufnehmen wollen. Aber nicht alle Kinder und Teens haben Lust. Es muss meiner Meinung zumindest ein Anfangs-Interesse von ihnen kommen. Wenn das nicht vorhanden ist, muss niemand Yoga machen. Ein anderer hätte sich vielleicht durchgebissen und die Mädchen nach und nach an Yoga herangeführt. Ich finde, es ist aber auch ok, als Yogalehrende auf seine eigenen Kräfte zu schauen. Und auch wenn ich das vielleicht früher getan habe: Ich möchte heute nicht mehr mit Bauchschmerzen in eine Yogaklasse gehen und Yoga „erkämpfen“. Ich bin keine Missionarin, freue mich aber über jeden, der Yoga ausprobieren mag!
Roswitha Gubin: Wenn nur noch Musik hilft
Um ehrlich zu sein, finde ich Yoga mit Teenies total spannend und auch herausfordernd. Denn haben diese wunderbaren Wesen einen schlechten Tag, dann Gnade dir Gott. So ging es mir auch in einer besagten Stunde. Vorab, alle Kinder kennen mich schon seit Jahren und würde ich sie nicht kennen, hätte ich mit ziemlicher Sicherheit einen Nervenzusammenbruch gehabt. Die Gruppe bestand aus Kindern zwischen 10 und 14 Jahren, Jungs und Mädchen, die sich ebenfalls seit dem Kindergarten kennen. Die Stunde begann also und wir erzählten, wie es uns so geht und schon da merkte ich, dass etwas nicht stimmt. Zwei Mädchen tuschelten und warfen den Jungs giftige Blicke zu und als eines der Mädchen dann dran war zu erzählen, fing der ganze Spaß erst an. Es dürfte etwas in der Schule vorgefallen sein und einer der Jungen war angeblich Schuld. So stritten sie, schrien sie sich an und fingen an, sich zu beschimpfen.
Ich wollte ruhig und besonnen das Ganze schlichten, woraufhin die Mädchen mich anschrien und mir erklärten, dass ich keine Ahnung habe, wie sie sich fühlen, die Jungs wieder meinten, dass ich immer nur zu den Mädchen halten würde…und sagen wir wie es ist, in diesem Moment war ich überfordert. Ich kenne alle Kinder, seitdem sie klein waren, nie haben sie so mit mir geredet und es hat mir im wahrsten Sinne die Sprache verschlagen und ich war wie erstarrt.
Nun gut, es flossen Tränen, es wurde mit Polstern herum geschmissen, Drohungen wurden ausgesprochen, manche Kinder waren so erstarrt wie ich, einer wollte sogar gehen und es gab für mich nur einen Ausweg, der human aus dieser Sache rausführte: Ich drehte damals eines meiner Lieblingslieder ‚Skillet-Back from the Dead‘ von einem Moment auf den anderen so laut auf, dass alle Kinder sich erschreckten und mich entgeistert angesehen haben.
Mein Learning: Sagen wir wie es ist, vielleicht liest es sich nicht so schlimm, wie es sich angefühlt hat, jedoch durfte ich daraus nochmals bestätigt bekommen: Musik hilft – egal in welcher Lebenslage. Es gibt immer das passende Lied zur richtigen Situation.